"Leitende Journalisten mit eigenem Kopf und Profil sind mittlerweile Mangelware",
schreibt der Branchendienst Meedia in Bezug auf die SZ-Chefredakteursnachfolge von Hans Werner Kilz. Aber die Aussage gilt auch für sich betrachtet. Es gibt zwar Zigtausende Journalisten (Wikipedia nennt alleine 40.000 freiberufliche), doch oben wird die Luft dünn. Fragt man zum Beispiel Textchefs von namhaften Magazinen, so sagen die, es gebe gar nicht so viele Journalisten, die Texte einer hohen Qualität pünktlich abliefern könnten.
Gegen den Wetter-Moderator Jörg Kachelmann wird ermittelt, weil seine Ex-Freundin ihn beschuldigt, sie nach einem Streit vergewaltigt zu haben.
Ganz unabhängig davon, ob Kachelmann schuldig oder unschuldig ist, so tut sich die Frage auf, wie die Medien überhaupt davon erfahren konnten. Denn wenn die Medien erst einmal von so einer Sache Wind bekommen, dann gibt es kein zurück mehr. Kachelmanns Ruf ist bereits ruiniert. Sollten die Anschuldigungen unwahr sein, wäre das ein Desaster.
Der ehemalige Moderator Andreas Türck hat erfahren, was das heißt. 2004 wurde er beschuldigt, eine Frau vergewaltigt zu haben. 2005 wurde er freigesprochen, aber seine Karriere als Fernseh-Moderator konnte er trotzdem an den Nagel hängen.
Die Berichterstattung der Medien schadet den Beschuldigten in jedem Fall - auch, wenn sich später ihre Unschuld herausstellt. Man kann aber die Medien nicht dafür verurteilen, über solche Vorwürfe zu berichten. Man kann bestenfalls die erste Zeitung, die berichtet und die Kette in Gang setzt, verurteilen.
Die Schuldigen sind also, von der Schuld der Anklagten einmal abgesehen, diejenigen, die zu allererst die Presse (in der Regel die Bild-Zeitung) informieren. Sei es aus Häme, sei es für ein Schmiergeld, wer weiß. Bisweilen sind sogar Beamte die Informanten, wie im Fall Käßmann vermutet wird. Im Fall Nadja Benaissa (No Angels) hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt persönlich die Medien informiert. Ein unfassbarer Affront gegen den Grundsatz, dass der Angeklagte bis zu seiner Verurteilung unschuldig ist. Denn in dem Moment, in dem die Medien informiert werden, fällt der Urteils-Hammer der Öffentlichkeit. Die Schuldfrage spielt dann kaum noch keine Rolle.