Das ZDF, die Deutschen und das Web

Die Öffentlich-Rechtlichen lösen regelmäßig bei der privaten Presse Angst aus, wenn es um den Journalismus im Internet geht. Die Staatlichen spielen nicht fair, heißt es. Wegen der Steuergelder, die sie erhalten. Die Privaten fürchten, an den Rand gedrängt zu werden.
In dem neuen Rundfunkänderungsstaatsvertrag gibt es einen Kompromiss: Die Öffentlich-Rechtlichen dürfen soviel Geld ins Internet stecken wie sie wollen, aber nicht für jedes Thema. Fernsehsendungen in der der Mediathek dürfen nur ein paar Tage im Netz stehen - außer sie haben kulturhistorische Bedeutung.
Ein Beispiel für so etwas gibt es nun mit der ZDF-Geschichtsserie "Die Deutschen". In zehn Folgen von König Otto I. bis zu Kaiser Wilhelm II. skizziert der Sender Wurzeln und Entstehung des deutschen Volkes. Claudius Seidl von der FAZ kritisiert zwar, dass dadurch die Bedeutung derjenigen deutschen Gruppen, die sich nicht auf urdeutsche Vorfahren berufen können, verschwiegen wird, das ist aber eine andere Geschichte.
Wirklich eindrucksvoll hingegen ist, wie das ZDF die Serie im Internet präsentiert. Die multimediale Vielfalt überwältigt, die grafische Umsetzung setzt Akzente. Alleine die Navigation ist wegweisend - zumindest im Verhältnis zum gängigen Alltag im deutschen Internet-Journalismus. Der hat nämlich seinen Namen nach wir vor kaum verdient. Auf den großen Nachrichtenseiten im herrscht immer noch der blanke Copy-and-Paste-Wahn von nachrichtlichen Texten. Eine derartige Grundversorgung ist zwar wichtig, allerdings fängt der Journalismus dort erst an und hört dort nicht auf - wie momentan weitgehend üblich.
Wie dem auch sei, das ZDF belegt auf ganzer Stärke, was das Medium Internet leisten kann - vor allem, wenn es nicht um schnelle Klicks und reine Kosten-Ertrags-Rechnungen geht. Dafür verdient der Sender Lob.
7an - 2008-11-09 15:45
Ich hab mir "Die Deutschen" noch nicht im Web angesehen, werd das aber nun nachholen.
ich denke, man sollte jedoch auch die leistung knopps würdigen, mit historischen themen, die üblicherweise per se als langweilig gelten, eine breite öffentlichkeit zu erreichen. und natürlich ist knopps arbeit ein schmaler grat. es ist wie mit der verfilmung von großen literarischen werken.
bei der serie "die deutschen" muss ich obendrein sagen, dass mir die experten, die zu wort kommen (beispielsweise stefan weinfurter), sehr hochkarätig erscheinen. und zeitzeugen gibt es gar nicht.
mich begeistert diese serie jedenfalls sehr. ich könnte mir so etwas jeden abend anschauen. vor allem, muss man einmal den anspruch dieser tv-produktion mit dem üblichen durchschnitts-programm im deutschen fernsehen vergleichen. es gibt noch viel zu wenig populärwissenschaftliche beiträge.
und obendrein facht so etwas das interesse an vertiefenden historischen büchern an. zum beispiel lese ich gerade ein fantastisches buch von peter wende über das britische empire (siehe auch perlentaucher). jetzt ist es wohl bald zeit für ein buch über europäische und insbesondere frühdeutsche geschichte.
ps: wenn jemand differenzierte inhaltliche kritik zu der serie "die deutschen" geben kann, würde ich mich über einen kommentar freuen.
nachtrag: hier gibt es einen kurzen filmbeitrag, wie die serie erstellt wurde.
Ich habe geschrieben, dass ich mir "Die Deutschen" noch nicht IM INTERNET angesehen habe. Denn auf die Internetpräsenz beziehst du dich doch in deinem Beitrag. Ich habe die ersten beiden Folgen von einem Freund bekommen und sie mir angesehen. Und wenn ich schreibe, dass sie aus "Historiker-Sicht" nicht gut ist, beschreibt das nicht unbedingt meine Meinung. Viele meiner Geschichtsdozenten schätzen Knopps Arbeit nicht. Ich glaube nicht, dass bei jedem Neid dahinter steckt. Das Problem ist, dass die Geschichte häufig zu einseitig betrachtet wird. Aber "Die Deutschen" ist gut gemacht und gibt einen groben Überblick über die Geschichte. So gesehen ist die Reihe um vieles besser, als vieles andere, welches im deutschen Fernsehen läuft.